Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 080/2024 vom 06.08.2024
Studie zu Chancen und Risiken von Outdoor-Apps
Forschende am Lehrstuhl für Sportökologie der Universität Bayreuth haben untersucht, welche Folgen die Nutzung gängiger Outdoor-Apps aktuell für die Natur haben (können) und wie sie besser genutzt werden könnten. Ihr Ergebnis: Teilweise liegen die Voraussetzungen für eine gute Anpassung von Outdoor-Aktivitäten an Naturschutzanliegen schon vor und müssten nur implementiert werden. Die Studie erschien jetzt in der Zeitschrift "Natur und Landschaft" im Verlag W. Kohlhammer, herausgegeben durch das Bundesamt für Naturschutz.
What for?
Verirrte Schulklassen, weil Lehrkräfte sich auf eine Outdoor-App verlassen haben, zertrampelte Wiesen mit seltenen Pflanzen und gestörte Brüter, weil App-Nutzer nicht wissen, was wann geschützt ist: Die Digitalisierung und dazugehörige Outdoorplattformen stellen Nutzerinnen und Nutzer und Naturschutz vor große Herausforderungen. Sie bieten gleichzeitig allerdings auch ein großes Potenzial, viele Ausflügler für Naturschutzanliegen zu sensibilisieren. Während willkürlich eingestellte Wanderwege zum Beispiel aktuelle Gefahren, Naturschutzgebiete oder Schutzmaßnahmen außer Acht lassen, könnten digitale Medien eine zielgenaue Steuerungswirkung haben: orts-, zeit- und aktivitätsangepasste Informationen könnten in Echtzeit weitergegeben und die Maßnahmen so besonders effektiv kommuniziert werden. Dabei ist die unmittelbare Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeit der größte Vorteil der Apps.
„Unsere Erhebung greift die Potenziale und Herausforderungen auf, die Outdoorplattformen für den Naturschutz haben und identifiziert Hürden sowie Überwindungsmöglichkeiten“, sagt Arne Schwietering, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Digital Ranger“ an der Professur für Sportökologie von Prof. Dr. Manuel Steinbauer der Universität Bayreuth. Gemeinsam mit Dr. Veronika Mitterwallner und Dr. Volker Audorff konnten sie die beiden in Deutschland größten Outdoorplattformen Komoot und Outdooractive, Naturschutzverbände, Sportvereine (DAV, DIMB), staatliche Akteure und Forstbesitzer ins Boot holen. Die Studie berücksichtigt daher den gemeinsamen Nenner aller entscheidenden Stakeholder, wenn es um Outdoor-Apps geht.
Sportaktivitäten in der Natur sind fester Bestandteil des Freizeitverhaltens in Deutschland. Damit einhergehend erfolgte in den letzten Jahren eine umfassende Digitalisierung in der Tourenplanung. Verstärkt wird dies durch den Trend zur Individualisierung der Freizeitgestaltung und der Ausweitung der Aktivitäten. Das stellt den Naturschutz sowie die Land- und Forstwirtschaft vor spezifische Herausforderungen: Schutzgebiete und dort geltende Regeln werden in der digitalen Tourenplanung nur teilweise berücksichtigt, was meist auf das Fehlen relevanter Informationen in der Kartengrundlage OpenStreetMap (OSM) zurückzuführen ist. Zudem unterscheidet sich der Umfang der Einbindung von Schutzgebieten zwischen den Outdoorplattformen. Außerdem sind Schutzvorschriften oft so kompliziert formuliert, dass sie sich für eine Einbindung in Apps nicht eignen.
Die digitalen Möglichkeiten sind eigentlich grenzenlos: Outdoorplattformen ermöglichen ihren Nutzerinnen und Nutzern zu jedem Zeitpunkt einen viele Bereiche umfassenden Informationszugriff. Das heißt, neben stundengenauen Wetterbedingungen und -warnungen könnten auch naturschutzrelevante Aspekte wie tagesaktuelle Stati für z.B. Wiesenbrüter oder geografische Ausweisung von Schutzgebieten in die Apps einfließen, über die sich Erholungssuchende eine Tour zusammenstellen. „Tut es aber noch nicht“, sagt Arne Schwietering.
Die Lösung: Aktivitätsmanagement. Eine gezielte Zusammenarbeit zwischen Naturschutzvertreterinnen und -vertretern sowie Outdoorplattformen könnte die Informationslage für Plattformnutzerinnen und -nutzer durch die einheitliche Verwendung naturschutzrelevanter Daten erheblich verbessern. Dies betrifft Daten zu rechtlich verbindlichen Regelungen in Schutzgebieten sowie zu gefährdeten und schutzbedürftigen Tier- und Pflanzenarten, die sich aus rechtlich verbindlichen Vorgaben des Artenschutzes ergeben. Die durch digitale Medien ermöglichte multilaterale Kommunikation birgt die Chance, Erholungssuchende in den Naturschutz einzubinden. Oder auch durch das gezielte Bewerben alternativer Angebote umzuleiten. Beispiele dafür sind digital unterstützte Themenwanderwege, Augmented-Reality-Anwendungen und Citizen-Science-Projekte. Mit Blick auf den Natur- und Artenschutz dürften die positiven Möglichkeiten von Outdoor-Apps mittelfristig die Herausforderungen, die durch diese Anwendungen entstehen, überwiegen.
Die Albrecht von Dewitz Stiftung, die das Projekt maßgeblich co-finanziert, freut sich, die Universität Bayreuth und ihr Projekt „Digital Ranger“ zu unterstützen. „Wir wollen dadurch aktiv den Natur- und Artenschutz im Rahmen der Nutzung von Outdoor-Plattformen fördern. Die vorliegende Studie stellt eine wichtige Bestandsaufnahme dar und liefert zudem konkrete Lösungsansätze. Sie sind ein wichtiger Baustein für einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur“, sagt Antje von Dewitz, Vorsitzende des Stiftungsrats.
Gefördert wird das Projekt durch Albrecht von Dewitz Stiftung, Oberfranken Stiftung und Rainer Markgraf Stiftung.
Hintergrund:
Aktuell wird das Bundeswaldgesetz überarbeitet. Im Raum steht, „digitalen Wegebau“, also das Anlegen von digitalen Wegen auf Kartengrundlagen wie OpenStreetMap, gesetzlich zu regeln. OpenStreetMap ist ähnlich wie Wikipedia communitybasiert und bildet die wahrscheinlich größte und meist genutzte Datenbank zur Grundlage von digitalen Karten. Diese Daten werden auch in Outdoorplattformen wie Komoot, Strava und Outdooractive als zum Teil sogar alleinige Quelle zur Erstellung von Karten und als entscheidende Grundlage von Tourenvorschlägen und zur Tourenplanung genutzt. Das hat das Augenmerk auf Outdoor Apps gelenkt.
Über das Projekt:
Digital Ranger ist ein praxisorientiertes Forschungsprojekt, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Einbindung des Naturschutzes in digitale Medien zu untersuchen und zu realisieren. Im Fokus stehen dabei Outdoorplattformen, Erholungssuchende und Naturschutzanliegen innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten. Projektpartner sind die Arbeitsgruppe Sportökologie der Universität Bayreuth, Digitize the Planet e.V., Outdooractive, der Naturpark Fichtelgebirge und Naturpark Nagelfluhkette und die Hochschule Treuchtlingen. Gefördert wird das Projekt aus Geldern der Albrecht von Dewitz Stiftung, Oberfranken Stiftung und Rainer Markgraf Stiftung. http://www.digital-ranger.uni-bayreuth.de
Originalpublikation: Schwietering A., Mangold,M. et al. (2024): Digitale Outdoorplattformen: Potenziale und Herausforderungen für Naturschutz und Aktivitätsmanagement. Natur und Landschaft 99(8): 384 − 396.
https://www.natur-und-landschaft.de/aktuelles/news/digitale-outdoorplattformen-potenziale-und-herausforderungen
Arne Schwietering
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Professur Sportökologie
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Professur Sportökologie
Projekt "Digital Ranger"
Tel.: +49 (0) 0921 / 55-3482
E-Mail: arne.schwietering@uni-bayreuth.de
Anja-Maria MeisterPressesprecherin Universität Bayreuth
Telefon: +49 (0) 921 / 55 - 5300
E-Mail: anja.meister@uni-bayreuth.de