Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 048/2025 vom 02.06.2025
Genomeditierung in Bio-Lebensmitteln zulassen
Genomeditierung sollte auch im ökologischen Anbau von Nutzpflanzen erlaubt werden, um Erträge zu steigern und Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. Dafür plädiert ein internationales Forschungsteam unter Federführung der Universität Bayreuth. Es schlägt hierfür in einem Artikel im Fachjournal Cell Reports Sustainability die Einführung neuer Bio-Labels vor.
„Ein großer Vorteil des Einsatzes von Genomeditierung ist, dass so sehr präzise in einzelne Gene eingegriffen werden kann – und das schneller und zielgerichteter Wirkung zeigt als bei traditionellen Züchtungsverfahren, bei denen oft viele Generationen benötigt werden, bis sich eine gewünschte Eigenschaft zeigt. Wenn der ökologische Landbau eine tragende Rolle in der EU-Agrarpolitik spielen soll, muss auch über innovative Wege nachgedacht werden“, sagt Alexandra Molitorisová, Doktorandin am Lehrstuhl für Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth und Erstautorin der Studie.
Die EU unterstützt den ökologischen Landbau in all ihren Politikbereichen nachdrücklich. Allerdings führen die im Vergleich zum konventionellen Anbau geringeren Erträge der ökologischen Landwirtschaft zu Herausforderungen für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion: Es werden mehr Fläche und Ressourcen pro produzierter Einheit Lebensmittel benötigt. Der Einsatz von neuen genomischen Techniken (NGTs) wie der „Genschere“ CRISPR-Cas9 im ökologischen Anbau könnte die Erträge allerdings verbessern. Durch diese modernen molekularbiologischen Verfahren können gezielt Veränderungen des Erbguts von Pflanzen herbeigeführt werden, wodurch sie beispielsweise resistenter gegen Trockenheit, Schädlinge oder Krankheiten werden. Diese Eigenschaften sind besonders für den ökologischen Anbau interessant, weil dort chemische Pflanzenschutzmittel weitgehend verboten sind. Derzeit sind NGTs in der EU für den ökologischen Landbau verboten.
Nach einem aktuellen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission könnten NGT-Pflanzen künftig differenziert reguliert werden: Manche sollen nicht länger wie genetisch veränderte Organismen (GVO), sondern wie herkömmlich gezüchtete Pflanzen behandelt werden (NGT-1), für andere würden die derzeitigen GVO-Vorschriften gelockert (NGT-2). Dennoch sollen auch mit dieser neuen Regulierung gentechnisch veränderte Pflanzen weiterhin nicht im ökologischen Landbau verwendet werden dürfen, da sie laut EU-Kommission nicht mit dem derzeitigen Verständnis von ökologischem Landbau sowie mit den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher an Bio-Produkte vereinbar sind.
Die Forschenden um Prof. Dr. Kai Purnhagen vom Lehrstuhl für Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth plädieren dafür, den Einsatz von NGTs für den ökologischen Landbau zu erlauben und hierfür zwei klar gekennzeichnete EU-weite Bio-Labels einzuführen, auch angesichts der Schwierigkeit, den Einsatz von NGTs zu erkennen: eines für „Bio ohne NGT“ und eines für „Bio mit NGT“. Denn auch mit der Züchtung unter Einsatz von NGTs könnten die Anforderungen an Pflanzen für den ökologischen Landbau erreicht werden, finden die Autorinnen und Autoren der Studie: Nach EU-Bioverordnung werden solche Pflanzen bevorzugt, die unter ökologischen Bedingungen gezüchtet wurden und eine hohe genetische Vielfalt aufweisen – viele Genvarianten, aus denen gezielt ausgewählt werden kann. Dies ist laut Bayreuther Forschungsteam auch mit NGTs möglich. Wenn bekannt ist, welches Gen in den Nutzpflanzen welche Wirkung hat, lassen sich über Genomeditierung neue Varianten erzeugen, die die Züchtung bereichern.
Letztendlich, so die Forschenden, sollte die Entscheidung über die Zulassung von NGTs im ökologischen Landbau von den ökologischen Landwirtschafts- und Verbrauchergemeinschaften getroffen werden - beispielsweise in Form von Bürgerjurys. „Bio-Konsumenten legen nicht nur Wert auf das Wohlergehen der Tiere, sondern auch auf Umwelt und Nachhaltigkeit. Für Biobauern ist die Akzeptanz dieser Technologie eine Möglichkeit, diese Verbraucher anzusprechen“, ergänzt Purnhagen.
Originalpublikation: Alexandra Molitorisová et al. New Genomic Techniques in Organic Production: Considerations for Science-Based, Effective and Acceptable EU Regulation. Cell Reports Sustainability (2025)

Prof. Dr. Kai Purnhagen, LL.M.Lehrstuhl für Lebensmittelrecht
Telefon: 0921 / 55-1020
E-Mail: kai.purnhagen@uni-bayreuth.de

Theresa HübnerStellv. Pressesprecherin
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