Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 109/2025 vom 09.12.2025
Neue Studie deckt Grenzen von KI-gestützter Materialvorhersage auf
Computersimulationen und künstliche Intelligenz machen bei der Suche nach neuen, leistungsfähigen Materialien häufig erhebliche Fehler bei der Vorhersage der Eigenschaften. Dies ist das Ergebnis einer internationalen Studie unter Federführung der Universität Bayreuth. In ihrer Studie, die im renommierten Fachjournal Advanced Materials erschienen ist, stellen die Forschenden Werkzeuge zur Behebung dieses Problems zur Verfügung.

Grafische Darstellung der Gitterstruktur von Diamant. Natürliche Abweichungen von idealen Gitterstrukturen werden von KI-Anwendungen häufig nicht beachtet, was zu erheblichen Fehlern in der Vorhersage geeigneter neuer Materialien führen kann. © Adobe Stock/Molecular Science
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Viele Geräte, die wir täglich nutzen wie die Batterien unserer Smartphones oder die Solarmodule auf unseren Dächern basieren auf stark optimierten Materialien. Angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen wie dem Klimawandel besteht eine große Nachfrage nach neuen Technologien und Materialien. Die Entdeckung neuer Materialien ist allerdings schwierig, da die experimentelle Entwicklung zeit- und ressourcenintensiv sein kann. In den letzten Jahren wurden große Fortschritte im Bereich der Suche nach neuen Materialien mithilfe von Computersimulationen und künstlicher Intelligenz gemacht. Die neue Studie unter Leitung der Universität Bayreuth hat jedoch in vielen Fällen gravierende Fehler in der Vorhersage von Materialeigenschaften durch KI aufgedeckt, die sich erheblich auf die experimentelle Anwendung auswirken können. In der Studie stellen die Forschenden Werkzeuge und Tools bereit, die die Effizienz und Zuverlässigkeit der rechnergestützten Materialsuche verbessern.
Die Entdeckung neuer technologischer Materialien innerhalb der immensen Anzahl möglicher Kombinationen aus Elementen und Strukturanordnungen ist eine große Herausforderung in der Materialwissenschaft. Insbesondere ist die Suche nach neuen Materialien experimentell oft durch die Komplexität und die Kosten für Synthese und Analyse vielversprechender Kandidaten eingeschränkt. Die Nutzung von Computersimulationen zur Materialentdeckungen ist daher in den letzten Jahren immer attraktiver geworden. Insbesondere im Bereich der kristallinen Materialien wurden dabei große Fortschritte erzielt. Bei dieser Materialklasse, die viele wichtige Verbindungen wie Silizium, Stahl oder Diamant umfasst, sind die Atome auf hochregelmäßigen Gittern angeordnet. Allerdings basieren aktuelle rechnergestützte Workflows auf idealisierten Kristallstrukturen, die die experimentelle Realität nicht exakt widerspiegeln. Insbesondere ignorieren sie kristallographische Unordnung, die in realen Materialien häufig vorkommt. Beispielsweise enthalten viele kristalline Materialien ähnliche Elemente, die auf ihrem Gitter „vermischt“ sind – eine sogenannte Substitutionsunordnung. Wenn die Information über die Unordnung fehlt oder nicht richtig berücksichtigt wird, machen KI oder Simulationsmethoden daher Fehler bei der Vorhersage der Eigenschaften solcher Materialien.
Ein internationales Forschungsteam bestehend aus Forschenden der Theorieabteilung des Fritz-Haber-Instituts, des Imperial College London und der Universität Bayreuth hat unter der Leitung von Prof. Dr. Johannes T. Margraf, Inhaber des Lehrstuhls Physikalische Chemie V der Universität Bayreuth, nun ein Werkzeug des maschinellen Lernens entwickelt, das solche ungeordneten Materialien zuverlässig erkennen kann. „Mit diesem Werkzeug können wir vorhersagen, ob ein Kristall von solcher Unordnung betroffen ist oder nicht, und die Materialentdeckung in rechnerisch gut darstellbare Bereiche lenken“, sagt Konstantin Jakob, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz-Haber-Institut.
Mit dem neuen Modell hat das Team Datenbanken durchsucht, die Materialien enthalten, welche zuvor von Computersimulationen als vielversprechend eingestuft wurden. In allen Fällen stellten die Forscher fest, dass ein erheblicher Teil dieser Vorhersagen in Experimenten voraussichtlich Unordnung aufweist – in einem Fall waren über 80 % der vorgeschlagenen Materialien betroffen. Das bedeutet, dass die große Mehrheit der in dieser Datenbank gefundenen Materialien im Experiment deutlich andere Eigenschaften haben könnte als in der Vorhersage.
„Unsere Studie zeigt, dass Unordnung in der rechnergestützten Materialwissenschaft ein entscheidender Stolperstein sein kann, wenn sie von der Simulation nicht berücksichtig wird. Glücklicherweise können mit den bereitgestellten Werkzeugen ungeordnete Materialien auch in groß angelegten Workflows erkannt und mit den richtigen rechnerischen Methoden adressiert werden“, sagt Prof. Margraf. In Zukunft wird dieses Tool sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Effizienz der rechnergestützten Materialsuche erheblich verbessern.
Originalpublikation: Konstantin S. Jakob, Aron Walsh, Karsten Reuter, and Johannes T. Margraf. Learning Crystallographic Disorder: Bridging Prediction and Experiment in Materials Discovery. Advanced Materials (2025)

Prof. Dr. Johannes MargrafLehrstuhl für Physikalische Chemie V
Universität Bayreuth
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Telefon: 0921 / 55-4970
E-Mail: johannes.margraf@uni-bayreuth.de

Theresa HübnerStellv. Pressesprecherin
Universität Bayreuth
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Telefon: 0921 / 55-5357
E-Mail: theresa.huebner@uni-bayreuth.de