Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 084/2023 vom 19.06.2023
Repräsentative Studie untersucht Textstrategien zur Widerlegung von Fake News und Mythen
Die Verbreitung von Falschinformationen behindert zunehmend die Aufklärung über gesellschaftlich relevante, wissenschaftlich belegte Tatsachen. Eine repräsentative Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Laura König an der Universität Bayreuth hat jetzt die Wirkung von Texten untersucht, die darauf abzielen, Fake News und Mythen auf den Gebieten der Covid-19-Impfstoffe und der gentechnisch veränderten Lebensmittel zu widerlegen. Die im „British Journal of Health Psychology“ veröffentlichte Studie zeigt: Inhaltliche Aspekte sind für den beabsichtigten aufklärerischen Effekt erheblich wichtiger als die in der Kommunikationsforschung vieldiskutierten Textstrukturen.
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Eine repräsentative Befragung
An der Studie nahmen insgesamt 4.906 volljährige Personen teil, die hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildungsniveau und Haushaltseinkommen eine für Deutschland repräsentative Stichprobe darstellen. Im Rahmen einer Online-Befragung wurden sie mit Texten konfrontiert, die darauf ausgerichtet waren, Falschinformationen zu Covid-19-Impfstoffen und gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu entlarven. „In beiden Fällen handelt es sich um neuartige Technologien, die Unsicherheit und Ängste hervorrufen, zumal in der Öffentlichkeit irreführende Informationen hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit kursieren“, sagt Prof. Dr. Laura König, die am Standort Kulmbach der Universität Bayreuth die Juniorprofessur für Public Health Nutrition innehat. Bei der Konzeption und Durchführung der Studie hat sie mit dem Lehrstuhl für Sozialpsychologie und Motivation an der Universität Konstanz und der Heisenberg-Professur für medizinische Risikokompetenz und evidenzbasiertes Entscheiden an der Charité – Universitätsmedizin Berlin zusammengearbeitet.
Alle Teilnehmer*innen machten am Beginn der Befragung Angaben zum Vertrauen, das sie in die Forschung im Allgemeinen, in Forscher*innen an Universitäten sowie in Forscher*innen im Gesundheitswesen setzen. Zudem bewerteten sie die Nützlichkeit von Impfungen und gentechnisch veränderten Organismen. Die anschließende Online-Befragung zielte darauf ab, die Wirkungen der Überschriften und Strukturen der vorgelegten Texte zu testen. Hierfür wurden zwei in der Kommunikationswissenschaft entwickelte Modelle verwendet: Bei der dreiteiligen „Wahrheitssandwich“-Struktur umrahmen zutreffende Informationen und Argumente die zu widerlegende Falschaussage, bei der zweiteiligen „fußlastigen“ Struktur folgt auf die Falschaussage ihre Widerlegung. In einer im April 2023 veröffentlichten empirischen Untersuchung hatte König bereits nachgewiesen, dass die „Wahrheitssandwich“-Struktur dazu beiträgt, Irrglauben in Bezug auf die Ernährung zu widerlegen.
Inhaltsgestaltung wichtiger als Textstrukturen
Die neue Studie untersucht nun, ob die „Wahrheitssandwich“-Struktur anderen Textstrukturen in ihrer Wirksamkeit überlegen ist. Bei allen Befragten stieg – wenn auch unterschiedlich stark – die Akzeptanz von Informationen, die Covid-19-Impfstoffe und gentechnisch veränderte Lebensmittel als sicher darstellten. Diese generelle Wirkung steht aber, wie das Forschungsteam herausfand, nur in einem losen Zusammenhang mit den Strukturen der vorgelegten Texte. Zwar trug die „Wahrheitssandwich“-Struktur erneut zur Akzeptanzsteigerung bei, und auch Überschriften im Format einer Aussage bewährten sich – sie waren allerdings nicht wirksamer als die „fußlastige“ Struktur oder Überschriften im Format einer Frage. „Strategien zur Entlarvung von Fake News sollten vorrangig eine auf Vertrauenswürdigkeit angelegte Darstellung der Sachzusammenhänge anstreben. Die Texte sollten sympathisch und argumentativ statt aggressiv daherkommen und etablierte, in der Praxis bewährte wissenschaftliche Erkenntnisse in den Vordergrund stellen. Textstrukturen haben dagegen nur eine untergeordnete Bedeutung“, sagt König.
Geringere Akzeptsteigerung bei Misstrauen in die Wissenschaft
Personen mit einem eher schwachen Vertrauen in die Wissenschaft, die zu Beginn der Befragung Vorbehalte gegenüber Impfstoffen und gentechnischen Verfahren geäußert hatten, blieben von der Widerlegung von Falschaussagen nicht unbeeindruckt. Doch war ihre gestiegene Zustimmung zu den entlarvenden und richtigstellenden Informationen („debunking messages“) schwächer ausgeprägt als bei Personen, die mit einem stärkeren Wissenschaftsvertrauen in die Befragung hineingegangen waren. Fälle, in denen ein schon vorhandenes Misstrauen gegenüber der gesamten Forschung oder speziell gegenüber Impfstoffen und Gentechnik durch die Befragung gestärkt wurde, haben die Autor*innen der Studie nicht beobachtet. Sie werten das Ausbleiben derartiger Trotzreaktionen als Beleg dafür, dass Präsentationen wissenschaftlicher Fakten und Argumente eine prinzipiell geeignete Strategie sind, um öffentlich kursierenden Falschinformationen entgegenzuwirken.
Offene Fragen: Nachhaltigkeit und Prägung des Verhaltens
Im Rahmen der Studie wurde allerdings nicht untersucht, wie nachhaltig der Glaube an Falschinformationen durch eine Konfrontation mit Fakten und Argumenten geschwächt wird. Ebenso lässt sich der Studie nicht entnehmen, wie stark die Zustimmung zur Widerlegung von Fake News das tatsächliche Verhalten der Befragten prägt. „Frühere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Menschen dazu neigen, ihre Entscheidungen und Handlungen selbst dann noch an falschen Grundüberzeugungen auszurichten, wenn diese bereits durch widerlegende Botschaften geschwächt oder relativiert wurden“, erklärt König.
Einflüsse durch Art der Informationsquellen?
Die Teilnehmer*innen an der Befragung wussten, dass die Studie von einem universitären Forschungsteam konzipiert und durchgeführt wurde. „Es ist möglich, dass dies die Glaubwürdigkeit der widerlegenden Informationen zumindest bei denjenigen Befragten erhöht hat, die am Beginn der Befragung ein vergleichsweise starkes Vertrauen in wissenschaftliche Expertise zeigten. Deshalb würde es sich lohnen, in künftigen Studien zur Entlarvung von Fake News verschiedene Arten von Informationsquellen zu nennen, um mehr über deren Einfluss auf die Akzeptanz zu erfahren“, sagt die Bayreuther Juniorprofessorin.
Kooperation:
Die Durchführung der Online-Befragung wurde vom Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) finanziert, das der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried-Wilhelm Leibniz e.V. angehört.
Veröffentlichungen:
Johannes Kotz, Helge Giese, Laura M König: How to debunk misinformation? An experimental online study investigating text structures and headline formats. British Journal of Health Psychology (2023), DOI: https://dx.doi.org/10.1111/bjhp.12670
Empirische Studie zu den Vorteilen der „Wahrheitssandwich“-Struktur bei der Bekämpfung von Ernährungsmythen:
Laura M. König: Debunking nutrition myths: An experimental test of the ‘truth sandwich’ text format. British Journal of Health Psychology (2023), DOI: https://dx.doi.org/10.1111/bjhp.12665
Prof. Dr. Laura M. KönigJuniorprofessur für Public Health Nutrition
Telefon: 0921 / 55-1040
E-Mail: laura.koenig@uni-bayreuth.de
https://phn.uni-bayreuth.de
Christian WißlerStellv. Pressesprecher, Wissenschaftskommunikation der Universität Bayreuth
Telefon: 0921 / 55-5356
E-Mail: christian.wissler@uni-bayreuth.de