Die neue Studie beruht auf Messdaten zu insgesamt 100 Untersuchungsflächen, die über alle Kontinente verteilt sind. In dieser Stichprobe ist jedes der wichtigsten Ökosysteme der Erde mit mindestens fünf Beispielen vertreten: tropische immergrüne Wälder, boreale Wälder, gemäßigte Wälder, Savannen, Buschland, Grasland, Tundra und mediterrane Ökosysteme. Die durch Satellitenbeobachtungen ermittelten Vegetationsveränderungen an diesen Standorten wurden daraufhin untersucht, inwieweit sie mit Veränderungen der Lufttemperatur, der Bodentemperatur, der Bodenfeuchte, der Sonneneinstrahlung und dem CO₂-Gehalt der Atmosphäre erklärt werden können. In ihrer Gesamtheit lassen diese Analysen einige globale Trends erkennen: Ökosysteme an trockenen und warmen Standorten, vor allem Savannen und manche Grasländer, reagierten in erster Linie auf Veränderungen der Bodenfeuchtigkeit. Hingegen waren Ökosysteme an kühleren Standorten, wie boreale Wälder, Wälder der gemäßigten Breiten und Tundren, besonders sensibel für Temperaturänderungen. Änderungen des CO₂-Gehalts der Atmosphäre und der Sonneneinstrahlung hatten überraschenderweise nur selten einen dominierenden Einfluss auf Vegetationsänderungen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie langfristige Fernerkundungsdaten die Ökosystemforschung unterstützen und erheblich voranbringen können. Gerade auf diesem Gebiet wird eine enge internationale Zusammenarbeit weiterhin erforderlich sein, um den Einfluss von Klimafaktoren auf globaler Ebene zu identifizieren und zu verstehen, wie und warum sich Ökosysteme in verschiedenen Regionen der Welt verändern“, sagt Ko-Autor Edward Muhoko M.Sc. aus Namibia, der zurzeit am Lehrstuhl für Pflanzenökologie promoviert und sich auf Geoinformationssysteme, Fernerkundungsverfahren und Geostatistik spezialisiert hat.
Die Bayreuther Forscher fanden in unterschiedlichen Klimazonen der Erde deutliche Hinweise auf Trendumkehrungen. Anscheinend haben steigende Luft- und Bodentemperaturen an vielen Standorten zunächst jahrzehntelang die Vegetationsaktivität erhöht und eine aus dem Weltraum sichtbare "Begrünung" bewirkt. Anhaltende Temperaturerhöhungen können jedoch irgendwann zu einer Austrocknung der Böden führen, was eine Verringerung der Vegetationsaktivität zur Folge hat. Neuere Satellitenaufnahmen lassen daher an einigen Standorten eine „Verbraunung“ von Ökosystemen erkennen. Feldforschungen in tropischen Wäldern, bei denen Veränderungen der Baumgröße gemessen wurden, haben in jüngster Zeit ebenfalls Belege für diese Entwicklung geliefert. „Falls diese Trendumkehr durch weitere Studien bestätigt wird, wäre das in der Tat besorgniserregend, denn in der Vergangenheit haben die terrestrischen Ökosysteme durch ihre jahrzehntelange ‚Begrünung‘ erhebliche Anteile der anthropogenen Kohlenstoffemissionen absorbiert. Bislang hat uns diese Kohlenstoffbindung durch die Vegetation vor einem noch dramatischeren Klimawandel bewahrt", erklärt Higgins.
Veröffentlichung:
Steven I. Higgins, Timo Conradi, Edward Muhoko: Shifts in vegetation activity of terrestrial ecosystems attributable to climate trends. Nature Geoscience (2023), DOI: https://doi.org/10.1038/s41561-022-01114-x