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Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 127/2023 vom 14.09.2023

Damit in Kraftwerken und Raumfähren alles wie geschmiert läuft: Neues Forschungsprojekt an der Universität Bayreuth

In der Energietechnik und Raumfahrttechnik ist die Schmierung beweglicher Maschinenelemente eine besondere Herausforderung: Die üblichen Fette oder Öle haben hier den Nachteil, dass sie im Vakuum und bei hohen Temperaturen verdampfen, während sie bei sehr tiefen Temperaturen ihre Schmierwirkung einbüßen. Daher werden oftmals feste Schmierstoffe benötigt. Ein neues Projekt der Universität Bayreuth will auf diesem bisher wenig erforschten Gebiet einen grundlegenden Beitrag zur Optimierung leisten. Der Lehrstuhl für Konstruktionslehre und CAD kooperiert dabei mit dem Institut für Werkstofftechnik an der Universität Kassel und dem Computer-Chemie-Centrum an der FAU Erlangen-Nürnberg.

Das von Prof. Dr.-Ing. Stephan Tremmel koordinierte Vorhaben ist mit dem Schwerpunktprogramm SPP 2074 „Fluidfreie Schmiersysteme mit hoher mechanischer Belastung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) assoziiert. Es wird in den nächsten drei Jahren an den drei Standorten mit insgesamt rund 780.000 Euro gefördert. Auf die Universität Bayreuth entfallen dabei rund 343.000 Euro. In dem neuen Projekt geht es speziell um Wälzlager: Dies sind Lager, die einen Innen- und einen Außenring enthalten und beispielsweise der Stabilisierung von Achsen und Antriebswellen dienen. Rollende Körper zwischen den Ringen verringern dabei den Reibungswiderstand. Gewöhnlich werden zur Schmierung von Lagern Öle oder Fette verwendet, aber diese Art der Schmierung ist bei Wälzlagern unter extremen Bedingungen oftmals unvorteilhaft oder gar nicht möglich. Solche extremen Bedingungen herrschen insbesondere im Vakuum – beispielsweise in Anwendungen der Energietechnik oder Raumfahrttechnik. Unter diesen Bedingungen verdampfen flüssige Schmierstoffe, so dass die Schmierung versagt. Benötigt werden daher „trockene“ Schmiersysteme, die mit festen Stoffen arbeiten.

Verschleißspur auf einer mit Molybdändisulfid beschichteten Scheibe. 200 Mikrometer sind 0,2 Millimeter.

Modellstruktur von Molybdändisulfid. Ein Ångström ist der zehnmillionste Teil eines Millimeters. 

Das neue Projekt in Bayreuth, Erlangen und Kassel wird sich mit Molybdändisulfid (MoS₂) befassen, einem für Wälzlager unter extremen Bedingungen noch wenig erforschten festen Schmierstoff. „Im Vergleich zu anderen festen Schmierstoffen, die im Rahmen des SPP 2074 untersucht werden, zeichnet sich Molybdändisulfid dadurch aus, dass es nicht nur bei hohen Temperaturen bis zu mehreren hundert Grad Celsius seine Schmierwirkung behält, sondern insbesondere im Vakuum hervorragend funktioniert. Die Herstellung wie auch die Beschichtung von Oberflächen ist im industriellen Maßstab kostengünstig. In unserem Projekt wollen wir grundlegend neue Erkenntnisse zur optimalen Verwendung von Molybdändisulfid als Schmierstoff gewinnen. Auf dieser Basis wird es beispielsweise möglich sein, die Zuverlässigkeit von Kraftwerken oder Raumfahrzeugen zu erhöhen“, sagt Tremmel. 

Im Fokus der geplanten Forschungsarbeiten steht die Entwicklung eines Modells, das in der Lage ist, die Gebrauchsdauer von MoS₂-geschmierten Wälzlagern mit einer bisher unerreichten Präzision vorherzusagen. Mit diesem Ziel werden Reibungs- und Verschleißvorgänge in verschiedenen Größenordnungen – von der Nano- über die Mikro- bis zur Makroskala – analysiert, wobei Experimente und Computersimulationen einander ergänzen. Diese skalenübergreifenden Materialanalysen werden ermöglicht durch den interdisziplinären Verbund der an den drei Projektstandorten angesiedelten Kompetenzen aus den Bereichen Maschinenbau, Materialwissenschaft und Theoretischer Chemie. Moderne Verfahren der Beschichtungstechnik, der Materialcharakterisierung und der Materialsimulation kommen dabei zum Einsatz. Das Projekt wird zu grundlegend neuen Einsichten in veränderte Materialstrukturen führen, die durch Reibung und Verschleiß verursacht werden. Daraus wiederum werden sich wichtige Hinweise für die Optimierung von Festschmierstoffschichten ableiten lassen, die extremen Bedingungen standhalten.

Prof. Dr.-Ing. Stephan Tremmel

Prof. Dr.-Ing. Stephan Tremmel

Lehrstuhl für Konstruktionslehre und CAD
Universität Bayreuth

Telefon: +49 (0)921 / 55-7194
E-Mail: stephan.tremmel@uni-bayreuth.de

Christian Wißler, Wissenschaftskommunikation

Christian Wißler

Stellv. Pressesprecher, Wissenschaftskommunikation
Universität Bayreuth

Telefon: +49 (0)921 / 55-5356
E-Mail: christian.wissler@uni-bayreuth.de