Abgaspartikel von Diesel-Kraftfahrzeugen können beim Menschen zu Atemwegs- oder Lungenerkrankungen führen. In der freien Natur gelangen sie oftmals in den Nektar von Pflanzenblüten, von dem sich Hummeln und andere Insekten ernähren. Die Wissenschaftler*innen am Lehrstuhl für Tierökologie der Universität Bayreuth haben diese Konstellation im Labor nachgestellt. Als Modellorganismus wählten sie Hummeln der weit verbreiteten Art Bombus terrestris (Dunkle Erdhummel). In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Technische Thermodynamik und Transportprozesse der Universität Bayreuth erzeugten sie in einem Vierzylinder-Dieselmotor, wie er häufig in PKWs vorkommt, Abgaspartikel, die durch Verbrennungsprozesse entstehen. Diese Partikel wurden dem Zuckerwasser beigemischt, mit dem die Hummeln im Labor täglich gefüttert wurden. Die Menge entsprach dabei der Menge von Dieselabgaspartikeln, wie sie bereits in Böden in der Nähe vielbefahrener Landstraßen nachgewiesen worden waren. Die Analyse der Partikel in den Bayreuther Laboratorien zeigte jetzt, dass sie teilweise aus elementarem Kohlenstoff bestehen, aber auch Schwermetalle und weitere organische Substanzen, wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), enthalten. PAKs stehen im Verdacht, für den Menschen toxisch zu sein und die Entstehung von Krebs zu fördern.
Veränderungen des Mikrobioms im Darm:
Indizien für eine Schwächung des Immunsystems
Nachdem die Hummeln sieben Tage lang bei jeder Mahlzeit auch Abgaspartikel zu sich genommen hatten, stellten die Wissenschaftler*innen eine erheblich veränderte Zusammensetzung des Darmmikrobioms fest: Von den Bakterienarten, welche normalerweise die hauptsächlichen Bestandteile der Darmflora von Hummeln bilden, waren einige viel häufiger, andere dagegen seltener anzutreffen. Insbesondere das Bakterium Snodgrassella, das für die Bildung eines den Darm schützenden Biofilms wichtig ist, war nur noch in sehr geringer Anzahl vorhanden. Derartige Veränderungen im Darmmikrobiom sind in der Forschung dafür bekannt, dass sie bei Insekten die Immunität und die Resistenz gegen Krankheitserreger schwächen können und damit deren Sterblichkeit erhöhen.
Sinkender Fettgehalt des Körpers und erhöhte Sterblichkeit
In einer weiteren Studie stand die Frage im Fokus, wie sich die Partikel auf das Immunsystem der Insekten auswirken. Zehn Tage lang nahmen die Hummeln Abgaspartikel zu sich, die dem Zuckerwasser in unterschiedlich hohen Konzentrationen beigemischt waren. Danach war ihr Fettgehalt im Vergleich mit Hummeln, die normales Futter erhielten, erheblich gesunken. „Der verringerte Fettgehalt ist ein Indiz dafür, dass die Partikel im Körper der Hummeln Entgiftungsprozesse auslösen, die mit einem erhöhten Energieverbrauch verbunden sind. Auch diese Untersuchungen legen die Schlussfolgerung nahe: Die tägliche Aufnahme von Abgaspartikeln über die Nahrung versetzt den Organismus der Hummeln in Stress. Wir haben beobachtet, dass sich ihre Sterblichkeit signifikant erhöht“, sagt der Erstautor Frederic Hüftlein M.Sc., Doktorand am Lehrstuhl für Tierökologie.
Veränderungen der Genexpression:
Weiteres Indiz für eine energieintensive Stressreaktion
Ebenso zeigten sich deutliche Veränderungen der Genexpression, der von Genen gesteuerten Herstellung lebenswichtiger Proteine. Die Analyse des Transkriptoms – dies ist die Gesamtheit der zu einem bestimmten Zeitpunkt erzeugten RNA-Moleküle – ergab, dass sich die Expression von 324 Genen verändert hatte. Die Produktion von RNA-Molekülen wurde bei 165 Genen intensiviert, bei 159 Genen hingegen verringert. Die beobachteten Veränderungen können als Indizien dafür gewertet werden, dass die über einen längeren Zeitraum mit der Nahrung aufgenommenen Abgaspartikel Abbauprozesse im Organismus der Hummeln fördern, Prozesse der Biosynthese hingegen verlangsamen.
„Vieles spricht dafür, dass es sich bei der veränderten Genexpression um eine Stressreaktion handelt, welche die Energieressourcen der Insekten angreift und schwächt. An der Universität Bayreuth planen wir in nächster Zeit weitere Untersuchungen, um diese Zusammenhänge noch genauer aufzuklären. Dabei wollen wir nicht nur einzelne Insekten, sondern ganze Kolonien betrachten und zusätzlich zu den Dieselabgasen noch andere anthropogene Stressfaktoren in die Forschungsarbeiten einbeziehen“, sagt Prof. Dr. Heike Feldhaar, Leiterin des Teilprojekts „Einfluss von Feinstaub auf Insekten“ im Bayerischen Projektverbund BayÖkotox.