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Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 106/2025 vom 28.11.2025

Gravierende Defizite in der Rassismusforschung in Deutschland

Rassismus prägt zentrale gesellschaftliche Bereiche – von Wohnen über Arbeit bis hin zu Gesundheit und Bildung. Dennoch ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema in Deutschland bislang nur unzureichend institutionell verankert. Das zeigt ein neuer Bericht des Wissensnetzwerks Rassismusforschung (WinRa) unter Beteiligung von Prof. Dr. Stefan Ouma, Lehrstuhlinhaber Wirtschaftsgeographie an der Universität Bayreuth.

Wand mit Graffity und den Worten "Stop racism"

What for
WinRa hat zwischen 2015 und 2025 systematisch die Situation der Rassismusforschung in Deutschland untersucht. Maßgeblich beteiligt war dabei Prof. Dr. Stefan Ouma, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie an der Universität Bayreuth und Mitglied im WinRa-Regionalnetzwerk Süd. Die Bestandsaufnahme verdeutlicht: Trotz hoher gesellschaftlicher Relevanz fehlt es an Professuren, Studiengängen und nachhaltiger Förderung. Zahlreiche Forschungslücken bestehen weiterhin – etwa in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheit, Polizei oder Technikfolgen. WinRa formuliert deshalb klare Handlungsempfehlungen für eine dauerhafte Institutionalisierung und strukturelle Stärkung der Rassismusforschung in Deutschland.

Das Fazit von Prof. Dr. Stefan Ouma ist dabei eindeutig: „Die Ergebnisse des WinRa-Berichts zeigen, dass die Rassismusforschung in Deutschland trotz ihrer gesellschaftlichen Dringlichkeit noch immer auf viel zu schwachen institutionellen Füßen steht. Wir brauchen Professuren, Studiengänge und eine verlässliche Förderarchitektur, um die Forschung langfristig zu sichern und weiterzuentwickeln. Nur so können wir die bestehenden Forschungslücken schließen und einen Beitrag dazu leisten, rassistische Ungleichheitsverhältnisse in all ihren Facetten sichtbar zu machen und zu überwinden.“

Strukturelle Defizite

Bei über 52.000 Professuren in Deutschland führen derzeit lediglich drei eine explizite Lehrstuhlbezeichnung (statt Denomination) im Bereich Rassismusforschung. Eigenständige Studiengänge existieren nicht; Rassismusforschung wird meist nur als Randaspekt anderer Disziplinen behandelt. Auch die Forschungsförderung bleibt prekär und ereignisgetrieben: Im Untersuchungszeitraum wurden lediglich 173 drittmittelfinanzierte Projekte identifiziert. Nach einem deutlichen Anstieg 2022 und 2023 fiel die Zahl 2024 wieder drastisch zurück – ein Hinweis auf fehlende Nachhaltigkeit. Zudem mangelt es an Schwerpunktprogrammen oder Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die sich explizit mit Rassismusforschung befassen.

Forschungslücken

Der jüngst erschienene Bericht macht deutlich, dass zentrale Dimensionen rassistischer Ungleichheitsverhältnisse bislang nur unzureichend erfasst sind. So fehlen systematische Analysen zu diskriminierenden Mechanismen auf dem Wohnungsmarkt ebenso wie Untersuchungen zu Zugang und Aufstiegschancen im Arbeitsmarkt. Auch im Gesundheitssystem ist die Erfassung struktureller Diskriminierung sowie der Erfahrungen von medizinischem Personal bislang unzureichend. Die institutionelle Praxis der Polizei und die Folgen rassismusbedingter Traumata sind stark unterrepräsentiert. Darüber hinaus mangelt es an Forschung zu sprachbezogenen Aus- und Einschlüssen, zu Rassismus im Sport sowie zu Zusammenhängen zwischen Rassismus und Klima- bzw. Umweltgerechtigkeit. Besonders gravierend ist die nahezu vollständige Forschungslücke im Bereich Technikfolgen und KI, obwohl hier bekannte Bias-Risiken, also die Gefahr, dass Künstliche Intelligenz durch einseitige oder verzerrte Daten Vorurteile verstärkt und diskriminierende Ergebnisse erzeugt.“

Handlungsempfehlungen

Um die Rassismusforschung dauerhaft zu etablieren, fordert WinRa eine Konsolidierung der Förderarchitektur durch eigenständige Förderrichtlinien und die Einrichtung von Schwerpunktprogrammen sowie Sonderforschungsbereichen der DFG. Darüber hinaus braucht es einen strukturellen Ausbau an Hochschulen mit Professuren und eigenständigen Studiengängen zur Rassismuskritik. Ebenso wichtig ist es, diese Inhalte in den Studienplänen zentraler Disziplinen wie Lehrerbildung, Medizin, Sozialarbeit und Rechtswissenschaft zu verankern – insbesondere durch verlässliche Tenure-Track-Modelle (befristete Professuren, die bei erfolgreicher Bewährung den direkten Übergang in eine Dauerstelle ermöglichen). Schließlich muss die Nachwuchssicherung durch gezielte Förderung von Nachwuchsgruppen gewährleistet werden, um langfristig wissenschaftliches Personal zu binden.

Der vollständige Bericht ist ab sofort unter folgendem Link abrufbar: https://www.winra.org/aktuelles/neuer-winra-bericht-bestandsaufnahme-zur-situation-der-rassismusforschung-in-deutschland-2015-2025

Über WinRa

Das Wissensnetzwerk Rassismusforschung (WinRa) ist ein Verbundprojekt von neun Kooperationspartnern. Es wird bis Ende 2027 mit einem Betrag von 1,9 Mio. Euro vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert. Neben der Gesamtkoordination am DeZIM-Institut in Berlin bestehen vier Regionalnetzwerke, darunter das Netzwerk Süd an der Universität Mannheim und der Universität Bayreuth. WinRa stärkt die Rassismusforschung in Deutschland durch interdisziplinären Austausch und entwickelt Strategien für den Ausbau der Forschungsinfrastruktur.

Prof. Dr. Stefan Ouma

Prof. Dr. Stefan Ouma

Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie und Mitglied des Exzellenzclusters „Africa Multiple“

Telefon: 0921 / 55-2262
E-Mail: stefan.ouma@uni-bayreuth.de

Mann mit Brille

Gert Dieter Meier

Wissenschaftskommunikation, Abteilung Presse, Marketing und Kommunikation

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