Um der Frage nachzugehen, ob der globale Klimawandel eine Verschiebung der Baumgrenzen nach sich zieht, haben die Bayreuther Forscher*innen die Mittelmeerinsel Kreta ausgewählt, weil hier die Voraussetzungen für eine solche Studie ungewöhnlich günstig waren. „Es ist für die Forschung ein seltener Glücksfall, dass von einer Gebirgsregion Luftaufnahmen mit einer relativ hohen Auflösung existieren, die einen Zeitraum von 70 Jahren abdecken und mit hinreichender Genauigkeit erkennen lassen, ob sich die Baumbestände verändert haben. So konnten wir anhand von Klimadaten und neuen geoinformatischen Methoden einen jahrzehntelangen Klimawandel dokumentieren. Gleichzeitig konnten wir nachweisen, dass die in den Bergen Kretas heimischen Bäume sich dennoch nicht in höhere Regionen verlagert haben“, sagt die Erstautorin Mirela Beloiu, die an der Universität Bayreuth promoviert hat und mittlerweile als Postdoc an der ETH Zürich tätig ist. Die Forschungsarbeiten auf Kreta wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Fernerkundungslabor am Institute of Applied and Computational Mathematics der Foundation for Research and Technology Hellas (FORTH) durchgeführt. Dieses Institut stellte auch die historischen und neueren Luftaufnahmen zur Verfügung.
Die Forscher*innen benennen in ihrer Studie mehrere klimatische und topographische Faktoren, die möglicherweise dazu beitragen, dass die Bergwälder Kretas an ihren jahrzehntealten Standorten verharren: Während des Untersuchungszeitraums stieg die mittlere Jahrestemperatur an der Baumgrenze um 0,81 Grad Celsius an, während sich der durchschnittliche Niederschlag um 170 Millimeter verringerte. Die zunehmende Trockenheit ist offenbar ein Stressfaktor, der die Ausbreitung der Pflanzen hemmt. Zudem sind die Regionen oberhalb der Baumgrenze sehr heftigen Winden ausgesetzt. Daher finden junge Bäume nicht den Schutz, den sie für eine Ansiedlung in höheren Lagen benötigen. „Wenn Ökosysteme, wie beispielsweise die Hochgebirgswälder auf Kreta, infolge topografischer Gegebenheiten nicht auf klimatische Veränderungen reagieren und sich nicht angemessen schützen können, sollten Möglichkeiten ausgelotet werden, wie der Mensch durch ein kreatives Naturmanagement ihre Anpassung stärken kann“, sagt Beierkuhnlein.
Veröffentlichung:
Mirela Beloiu et al.: No treeline shift despite climate change over the last 70 years. Forest Ecosystems (2022), DOI: https://doi.org/10.1016/j.fecs.2022.100002