„Während der Covid-19-Pandemie wurden in den meisten Ländern der Erde zahlreiche nicht-pharmazeutische Interventionen eingesetzt. Dazu zählen beispielsweise Hygiene-Maßnahmen wie Quarantäne-Regelungen und das Tragen eines Mund-Nasenschutzes, aber auch Einschränkungen der individuellen Mobilität oder das Verbot von Großveranstaltungen. Diese Maßnahmen können aber nur dann eine öffentliche Schutzwirkung haben, wenn sie auf breite Akzeptanz und tatsächliche Unterstützung stoßen. Es ist deshalb aus verhaltenswissenschaftlicher wie aus politischer Sicht wichtig herauszufinden, was diese Haltung in der Bevölkerung stärkt“, sagt Prof. Dr. David Stadelmann, Professor für Entwicklungsökonomik an der Universität Bayreuth. „Die Ergebnisse unserer Studien sprechen dafür, dass öffentliche Appelle an die nationale Zugehörigkeit das Gemeinschaftsgefühl festigen und dadurch zu einem freiwilligen Befolgen der Maßnahmen beitragen können. Politische Programme, welche die nationale Identität gezielt stärken und dadurch die öffentliche Gesundheit fördern wollen, sind aber eher kritisch zu sehen. Sie können, weil die Grenzen zum nationalen Narzissmus und zu Nationalismus in der Praxis häufig fließend sind, ideologisch missbraucht werden und zu einer Spaltung der Gesellschaft führen“, ergänzt Dr. Raymond Frempong.
Aus der statistisch erwiesenen Verknüpfung von nationalem Identitätsbewusstsein und der Bereitschaft, Corona-Maßnahmen der jeweiligen Regierung zu unterstützen, lässt sich allerdings keine eindeutige kausale Beziehung ableiten. „Der Zusammenhang ist komplex und die Wirkungsrichtung nicht völlig klar. Zudem sind die Stichproben, die unserer Hauptstudie zugrunde liegen, nicht repräsentativ für die gesamte Weltbevölkerung und teilweise nur bedingt repräsentativ für die untersuchten Länder", sagt Stadelmann. „Seitens der Universität Bayreuth haben wir die Befragungen in Ghana durchgeführt und ausgewertet, aber weitere afrikanische Länder und Regionen sind bisher kaum erfasst worden. Deshalb ist es eine offene Frage, inwieweit sich die Ergebnisse auf den afrikanischen Kontinent insgesamt übertragen lassen“, erklärt Frempong.
Veröffentlichung:
J. J. van Bavel et al.: National identity predicts public health support during a global pandemic. Nature Communications 13, 517 (2022). DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-021-27668-9