Wenn alle Länder ihre Versprechen einhalten, die sogenannten „nationally determined contributions“ (NDCs), sinken die Emissionen weltweit um geschätzte 25,4 % unter das Niveau, das sich in einem „Business-as-usual“ (BAU) Szenario bis 2030 einstellen würde. Der Austritt eines Landes würde diese Summe der versprochenen Emissionsreduktionen um den NDC-Anteil des Landes reduzieren. Beispiel USA: Ihr Ausstieg würde die globale Emissionsreduktion auf 17,3 % und folglich um 31,8 % reduzieren. Obwohl China der CO2-Emittent Nr. 1 ist, würde dessen Austritt die globale Reduktion „nur“ um 11,9 % verringern – denn das Land hatte sich ein weniger ambitioniertes Reduktionsziel gegeben, und der Verlust dieses Ziels würde entsprechend weniger stark ins Gewicht fallen.
Der Schaden, den einseitige Austritte aus dem Abkommen anrichten, wäre aber noch viel größer als der reine Verlust an CO2-Einsparmengen, denn: Länder, die „Paris“ verlassen, haben starke Anreize, ihre Emissionen noch über das BAU-Niveau hinaus zu steigern. Zum einen gewinnen diese Länder in emissionsintensiven Industrien an Wettbewerbsfähigkeit, weil sie billiger produzieren können, denn sie müssen beispielsweise keine CO2-Steuern zahlen. „Nach einem Austritt aus dem Abkommen werden sich diese Länder also verstärkt in emissionsintensive Industrien spezialisieren und entsprechend mehr CO2 ausstoßen“, prognostiziert Larch.
Aussteiger profitieren, das Klima leidet
Zum anderen profitieren sie vom veränderten Energiemarkt: Wenn die meisten Länder der Welt ihre Emissionen entsprechend ihrer NDCs senken, sinkt die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen, das drückt deren Preise. Länder, die ihre Reduktionzusagen brechen, werden auf den niedrigeren Preis reagieren, indem sie mehr fossile Brennstoffe nachfragen, was ihre Emissionen zusätzlich steigert. Larch erläutert: „Die höheren Emissionen in ausgetretenen Ländern werden also zusätzlich einen Teil der Einsparungen, die in den verblieben Paris-Mitgliedsländern noch erreicht werden, zunichte machen.“
Am Beispiel der USA hieße das laut den Berechnungen von Larch und Wanner: Sie folgen im simulierten Fall ihres Austritts nicht ihrem BAU-Emissionspfad, sondern steigern ihre Emissionen aufgrund der veränderten Wettbewerbsfähigkeit und der niedrigeren Preise für fossile Brennstoffe um 9.5 %. Von den 17,3 % globaler Reduktionsminderung, die nach dem Abzug des US-Reduktionsziel übrig geblieben waren, gehen dadurch weitere 9,4 % verloren. Dieser durch Carbon Leakage verlorene Anteil der Emissionsminderung bezeichnet man auch als Leakage-Rate. Noch stärker als für die USA ist der Leakage-Effekt im Fall eines chinesischen Austritts. Hier beträgt die Leakage-Rate 13,8 %, d.h. deutlich mehr als jede zehnte Tonne CO2, die in den verbliebenen Mitgliedsländern eingespart wird, wird stattdessen zusätzlich in China emittiert.