Die Entdeckung dieser drei Entwicklungslinien war nur möglich, weil zusätzlich zu morphologischen Untersuchungen, wie sie in der Pflanzensystematik seit langem etabliert sind, erstmals auch gezielte molekulargenetische Untersuchungen der Marsdenieen durchgeführt wurden. Dabei hat die pflanzensystematische Arbeitsgruppe an der Universität Bayreuth 171 der 740 Arten anhand von sieben verschiedenen Markern sowohl aus dem Chloroplasten- als auch aus dem Kerngenom analysiert. So konnten einige fehlerhafte Klassifizierungen aus früheren taxonomischen Studien korrigiert werden, die sich aufgrund der vielen Parallelentwicklungen im Blütenbau eingeschlichen hatten. So haben sich weiße trichterförmige Blüten in Anpassung an die bestäubenden Nachtfalter mindestens fünf Mal unabhängig voneinander entwickelt. Weil solche Parallelentwicklungen früher nicht erkannt wurden, hat man einige Arten der Marsdenieen häufig einer falschen Gattung zugeordnet.
Die jetzt in „Taxon“ veröffentlichte Studie anerkennt und umschreibt 37 Gattungen, zwei davon werden erstmals pflanzensystematisch beschrieben. Hinzu kommen 26 Arten, bei denen die Gattungszugehörigkeit korrigiert werden konnte. „Für die korrekte pflanzensystematische Einordnung der Marsdenieen stellt unsere Untersuchung einen neuen Bestimmungsschlüssel zur Verfügung, der sich auf morphologische Merkmale stützt. Für die sichere Gattungszuordnung einzelner Arten sind aber molekulargenetische Analysen zuweilen unumgänglich. Nur auf dieser Basis lässt sich zuverlässig klären, wie die Entwicklungen von Merkmalen innerhalb der verschiedenen Gattungen miteinander zusammenhängen – zum Beispiel, ob es sich um voneinander unabhängige Parallelentwicklungen oder um aufeinander folgende Entwicklungen in einem größeren evolutionären Zusammenhang handelt“, sagt Prof. Dr. Sigrid Liede-Schumann, Inhaberin des Lehrstuhls für Pflanzensystematik an der Universität Bayreuth.
Veröffentlichung:
Liede-Schumann, S.; Reuss, S. J.; Meve, U.; Gâteblé, G.; Livshultz, T.; Forster, P. I.; Wanntorp, L.; Rodda, M. 2022. Phylogeny of Marsdenieae (Apocynaceae, Asclepiadoideae) based on chloroplast and nuclear loci, with a conspectus of the genera. Taxon 71(4): 833-875. 2022. DOI: https://doi.org/10.1002/tax.12713