Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten zur Ausbreitung von Mikro- und Nanoplastik konzentrieren sich auf die Größe und Form der Partikel. Sie lassen dabei aber andere, beispielsweise chemische Eigenschaften unberücksichtigt, die möglicherweise ebenfalls einen Einfluss auf die Auswirkungen der Partikel haben. Viele Untersuchungen arbeiten mit industriell gefertigten Partikeln, hauptsächlich Polystyrol-Kugeln. Doch die in der Umwelt verbreiteten Partikel weisen eine unübersehbare Vielfalt an Eigenschaften auf. Weitgehender Konsens besteht in der Forschung darüber, dass es umso öfter zu Wechselwirkungen mit menschlichem Gewebe und einzelnen Zellen kommt, je kleiner die Partikel sind. Dabei spielen biologische Barrieren eine entscheidende Rolle: Sie hindern größere Partikel daran, weiter in den Organismus vorzudringen.
Die Autor*innen der neuen Studie weisen allerdings auf eine Ungereimtheit hin. In einigen menschlichen Gewebeproben wurden Partikelgrößen entdeckt, die diese biologischen Barrieren dem derzeitigen Kenntnisstand zufolge nicht überwinden können. Eine plausible Erklärung wären nachträgliche Verunreinigungen der Proben. Tatsächlich enthält die ausgewertete Forschungsliteratur zahlreiche Indizien dafür, dass Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle von Proben unzureichend beschrieben oder durchgeführt wurden.
Das Team von „PlasticsFatE“ resümiert in seiner Studie aber auch eine Reihe grundlegender Erkenntnisse, über die heute kein Zweifel mehr besteht: In den meisten Regionen der Erde enthält die alltägliche Lebenswelt der Menschen steigende Mengen von Mikro- und Nanoplastik. Über das Trinkwasser, die Nahrung und die eingeatmete Luft sowie über Kosmetik-artikel können die Partikel in den Organismus gelangen. Hauptsächlich werden Mikro- und Nanopartikel vom Menschen über die Atemwege und den Magen-Darm-Trakt aufgenommen.
„Sowohl auf europäischer Ebene als auch im kürzlich verlängerten SFB 1357 ‚Mikroplastik‘ an der Universität Bayreuth werden wir die Wechselwirkungen zwischen Mikroplastik und Organismen in den kommenden Jahren intensiv untersuchen. Unser Ziel sind belastbare Gefahreneinschätzungen, aus denen wirksame Maßnahmen zur Risikominderung abgeleitet werden können. Dabei müssen wir allerdings damit rechnen, dass es langfristige Folgen der Umweltkontamination durch Kunststoffe geben kann, die heute erst ansatzweise erkennbar sind“, sagt Laforsch.
Veröffentlichung:
Anja F.R.M. Ramsperger et al.: Nano- and microplastics: a comprehensive review on their exposure routes, translocation, and fate in humans. NanoImpact 29 (2023) 100441. DOI: https://doi.org/10.1016/j.impact.2022.100441