Der Polymorph δ-P₃N₅ wandelte sich bei einer Verringerung des Kompressionsdrucks in eine andere, ebenfalls bisher unbekannte Modifikation von P₃N₅: Bei sieben Gigapascal entstand der Polymorph α′-P₃N₅. Es handelt sich um ein neues festes Material, das unter normalen Umgebungsbedingungen stabil bleibt. Die Kristallstruktur dieses Phosphornitrids ist ebenfalls ungewöhnlich, da sie aus PN₄-Tetraedern zusammengesetzt ist: Im Zentrum dieser pyramidenförmigen Struktureinheiten befindet sich ein Phosphor-Atom, während die vier „Ecken“ jeweils mit einem Stickstoff-Atom besetzt sind. Im Vergleich mit dem bekannten Polymorph α-P₃N₅, der in der Forschung bereits als möglicher industrieller Werkstoff diskutiert wird, besitzt α′-P₃N₅ eine deutlich höhere Dichte. Er ist daher erheblich härter und im Hinblick auf potenzielle technische Anwendungen möglicherweise noch attraktiver.
Hochdruckforschung zu Nichtmetallnitriden kann Verständnis der Stickstoffchemie erweitern:
„Das α′-P₃N₅, das bei der Dekompression von δ-P₃N₅ entsteht, ist ein Beispiel dafür, wie Stickstoffverbindungen mit hochinteressanten Eigenschaften über den Umweg von Hochdruck-Synthesen entdeckt werden können. Weitere Untersuchungen sollten jetzt folgen, um potenzielle Anwendungen dieses neuen Materials auszuloten. Mit unserer Veröffentlichung wollen wir dazu anregen, die Hochdruck- und Hochtemperaturforschung zu Nichtmetallnitriden – die im Vergleich mit Metallnitriden bisher weitgehend vernachlässigt wurden – zu intensivieren. Neue Studien auf diesem spannenden Gebiet können das Verständnis der Stickstoffchemie bedeutend erweitern. Sie werden möglicherweise auch zur Entdeckung von recycelfähigen Materialien für Produkte des täglichen Lebens beitragen“, sagt die Bayreuther Kristallphysikerin Prof. Dr. Dr. h.c. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth, die die Forschungsarbeiten koordiniert hat.
Internationale Kooperation:
An der neuen Studie waren zusammen mit dem Bayerischen Geoinstitut (BGI) und dem Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth zahlreiche weitere Forschungspartner beteiligt: die LMU München, die Universität Edinburgh, die Universität Linköping, die Shandong University in Jinan/China, das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg, die European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble sowie das Center for Advanced Radiation Sources an der Universität Chicago.
Veröffentlichung:
Dominique Laniel et al.: Revealing Phosphorus Nitrides up to the Megabar Regime: Synthesis of α′-P₃N₅, δ-P₃N₅ and PN₂. Chemistry – A European Journal (2022). DOI: https://dx.doi.org/10.1002/chem.202201998
Dieser Forschungsbeitrag wurde auf der Titelseite der Zeitschrift “Chemistry - A European Journal” als Highlight hervorgehoben.